Die Tschetschenien-Story Teil 1

58 1 0
                                    

Jetzt war sie schon den sechsten Tag in dieser Kaschemme. Cori taten die Füße weh und ihr war übel von dem Gemisch aus Zigarettenrauch, Alkoholdünsten und Schweiß, dem ihre arme Nase wehrlos ausgesetzt war. Mit Mitte zwanzig war ihr immer noch nicht der große Durchbruch gelungen. Noch nie hatte sie einen Artikel geschrieben über etwas, das auch international Aufsehen erregte.

Cori war vor einigen Tagen nach Tschetschenien gekommen, und zwar ganz gezielt in die einzige Kneipe des Bergdorfs Kurta-Jurt. Sie gab sich als Ethnologie-Studentin aus, was in gewisser Weise sogar stimmte. Zwar hatte sie ihr Slawistik-Studium in Moskau irgendwann abgebrochen, weil es zu viel Zeit kostete. Aber seitdem hatte sie sich dort für verschiedene andere Fächer eingeschrieben, unter anderem für Ethnologie. Sie war sicher nicht die einzige deutsche Studentin, die so sehr auf der Suche nach sich selbst war, dass sie Verschiedenes ausprobierte. Der wahre Grund war natürlich, dass sie mit einem Studentenvisum weitaus weniger Misstrauen erregte als mit einem für Journalisten, falls sich jemand ihren Pass zeigen ließ. Bisher war sie mit ihren Artikeln, die in Deutschland erschienen, auch noch nicht so weit aufgefallen, dass irgendjemand ihren Namen kannte. Leider.

Dass sie Ethnologie, also Völkerkunde, studierte, war außerdem eine super Erklärung dafür, dass sie auf der georgischen Seite des Kaukasus-Gebirges, im Pankisi-Tal, mit tschetschenischen Flüchtlingen gesprochen und sich unter ihnen umgehört hatte. Dabei hatte sie auch das eine oder andere über Hamed Donenzjew erfahren. Als sie das Gefühl hatte, genug zu wissen, war sie im Schutze der Nacht über die Grenze nach Tschetschenien geschlüpft.

Am Vormittag war sie in Kurta-Jurt angekommen. Das Dorf lag tief im Kaukasus-Gebirge versteckt, nur durch einen Bergkamm getrennt von Georgien. Deshalb hatte Cori sich dem Dorf auch von dort genähert. Theoretisch gab es Patrouillen. Doch tatsächlich war die Grenze vor allem nachts unbewacht, was erklärte, wie die tschetschenischen Flüchtlinge nach Georgien gelangt waren.

Die Rebellen hatten ihr Lager in der Nähe von Kurta-Jurt und in diesem Ort sollte es eine Kaschemme geben, die sie regelmäßig besuchten. Langer Rede kurzer Sinn: Sie den Wirt besagter Kaschemme überzeugt, dass sie Geld, also einen Job, brauchte, was erstaunlich einfach war, und hier war sie nun.

Die Kneipe war von außen nicht als solche zu erkennen. Sie war in einem schlichten Betonbau untergebracht. Seine durch viele Einschusslöcher pockennarbige Fassade erinnerte daran, dass sich Russen und Tschetschenen hier vor Jahren verbissene Gefechte geliefert hatten. Moskau musste zwei Kriege führen, um zu erreichen, dass die so genannte Tschetschenische Republik Teil des russischen Staatsverbands blieb. Das und mehr wusste Cori natürlich, denn sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht und sich vor und während ihrer Anreise so gut wie möglich über die aktuelle Lage informiert.

„He, Bedienung!", brüllte Hamed, der Kommandant, der mit einigen Männern aus seiner Rebellentruppe wie an allen bisherigen Tagen mehrere Tische ganz hinten im Raum besetzt hatte. Sie schienen auf etwas oder jemanden zu warten, was Cori zuversichtlich stimmte.

Die Einstellung von Hamed und seinen Männern zu Alkohol schien eher russisch als muslimisch geprägt. Die bärtigen Gestalten sahen zum Fürchten aus, behandelten Cori und die beiden anderen Kellnerinnen, die einzigen Frauen, die sich in die Kneipe wagten, aber halbwegs respektvoll. Auch mit Trinkgeld knauserten sie nicht.

Hamed Donenzjew trug die gleiche Art von mitgenommener, olivgrüner Uniform wie seine Männer und wie einige von ihnen auf dem Kopf ein schwarzes Barett. Er trank gewöhnlich Tschatscha, einen Schnaps, den der Wirt aus Georgien bezog.

Sofort war Cori zur Stelle und fragte augenzwinkernd: „Das Übliche?"

Dies ist ein Prequel zu meinen Cori-Stein-Thrillern, die bei Amazon erhältlich sind und von denen ihr hier bei Wattpad jeweils eine Leseprobe findet.

Die Tschetschenien-StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt